Landwirte dürfen laut einem neuen Rechtsgutachten ihr Land für Fahrende
zur Verfügung stellen. Klare Absprachen - per schriftlichem Mietvertrag - lohnen sich, schreibt die Bauern Zeitung.
Bauern Zeitung / Jeanne Woodtli
Im bernischen Täuffelen ist kürzlich ein Bauer mit Traktor und Anhänger aufgefahren, um Fahrenden die Besetzung eines Geländes zu verwehren. Eine Person wurde beim darauf folgenden Gerangel leicht verletzt. Von solchen Konflikten liest man immer wieder.
«Zu wenig offizielle Durchgangsplätze»
Haltemöglichkeiten für die fahrenden Jenischen, Sinti und Roma sind rar. «Einerseits gibt es deutlich zu wenig offizielle Durchgangsplätze», sagt Simon Röthlisberger auf Anfrage der BauernZeitung. Er ist Geschäftsführer der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende. Aber selbst wenn es in Zukunft einmalgenügend dauerhafte Plätzegeben werde – «für die Fahrenden ist der Spontanhalt Teil ihrer geschützten Lebensweise». Schweizer Jenische und Sinti würden oft kleinräumig fahren und seien darauf angewiesen, in der Nähe ihrer Kunden halten zu können.
Restriktionen auf lokaler Ebene
In den letzten Jahren wurde der Spontanhalt zunehmend eingeschränkt, etwa durch Restriktionen auf lokaler Ebene, beispielsweise Campingreglemente. Um Lösungen zu finden, hat die Stiftung beim Schweizerischen Kompetenzzentrum für Menschenrechte rechtliche Abklärungen in Auftrag gegeben.Dieses Rechtsgutachten zeigt nun: «Private Grundeigentümer dürfen Land für den Halt von Fahrenden zur Verfügung stellen, und für die öffentliche Hand ist es unter Umständen sogar Pflicht, dies zu tun», sagt Simon Röthlisberger.
«Kein schlechtes Geschäftsmodell»
«Bauernfamilien können etwas dazu beitragen, den Fahrenden und ihrer Lebensweise mehr Raum zu ermöglichen», sagt Röthlisberger. «Ausserdem ist es auch kein schlechtes Geschäftsmodell, wenn man zum Beispiel seine Wiese nach dem Mähen noch so vermieten kann. Wichtig ist einfach, dass Vermieter und Fahrende sich einig sind.»
Schriftlicher Vertrag
Die Stiftung hat einen Ratgeber mit Empfehlungen erarbeitet – für die Fahrenden selbst, für Grundeigentümer sowie für Kantone und Gemeinden. Hier einige der Empfehlungen für Grundeigentümer:
Zwei Aufenthalte im Jahr erlaubt: Spontanhalte bis zu vier Wochen dürfen zweimal jährlich auf Landwirtschaftsland stattfinden, und kleinere Gruppen müssen sich nicht vorgängig bei der Gemeinde anmelden. Es lohnt sich trotzdem, bei der Gemeinde nachzufragen, ob es zusätzliche kommunale oder kantonale Regelungen gibt.
Vertrag: Schliessen Sie möglichst einen schriftlichen Vertrag mit den Fahrenden ab (hier ein Muster-Mietvertrag).
Direktzahlungen: Landwirte können Ansprüche auf Direktzahlungen verlieren, wenn der Ertrag aus dem Mietverhältnis den Gesamtertrag aus der landwirtschaftlichen Nutzung übersteigt. Das dürfte kaum je der Fall sein. Unzulässig ist die Vermietung von Flächen, für die Biodiversitätsbeiträge bezogen werden.
Abwasser/Abfall: Der Vermieter kann wichtige Voraussetzungen schaffen, damit die
Umwelt-, Gewässerschutz- und Naturschutzgesetzgebung eingehalten wird.
Stellen Sie den Mietern wenn möglich nicht nur Strom und Frischwasser
zur Verfügung, sondern ermöglichen Sie auch die Entsorgung von Abwasser. Ebenso sind Abmachungen über die Aufstellung von Toiletten oder deren
Leerung sinnvoll. Einen Abfallcontainer bereitzustellen, empfiehlt sich.
Auch Staat in der Pflicht
Der Schutz der nationalen Minderheiten der Jenischen und Sinti, aber auch der fahrenden Roma basiert laut der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende auf einer breiten rechtlichen Grundlage. Dieser Schutz umfasst auch den Spontanhalt. «Das Rechtsgutachten hat gezeigt: Der Staat ist unter Umständen verpflichtet, Grundstücke zur Verfügung zu stellen», sagt Simon Röthlisberger.
Parkplätze oder Allmenden
Selbstverständlich dürfe er bei der Erteilung einer Bewilligung eine sogenannte Interessenabwägung machen, wobei die Interessen der sesshaften Bevölkerung nicht von vornherein höher gewichtet werden dürfen.«Diese Erkenntnis müsste dazu führen, dass vermehrt Grundstücke in staatlichem Besitz temporär vermietet werden», so Röthlisberger. Infrage kommen etwa zeitweise genutzte Parkplätze oder Flächen, auf welchen der Zirkus haltmacht.