Maria Mehr, genannt «Fineli», ist im Wohnwagen geboren, hat zeitlebens im Wohnwagen gelebt und wollte nie in eine Wohnung ziehen. Sie kann Fotos zeigen von Vorfahren, die mit Planwagen unterwegs sind auf der Axenstrasse. Leute aus den Familien Mehr – die Schriftstellerin Mariella Mehr ist eine Cousine – und Kollegger.
Maria Mehr, genannt «Fineli», ist im Wohnwagen geboren, hat zeitlebens im Wohnwagen gelebt und wollte nie in eine Wohnung ziehen. Sie kann Fotos zeigen von Vorfahren, die mit Planwagen unterwegs sind auf der Axenstrasse. Leute aus den Familien Mehr – die Schriftstellerin Mariella Mehr ist eine Cousine – und Kollegger.
Geboren 1943, wurde sie von der «Vagantenverfolgung» der Pro Juventute nicht erfasst, die zwei ältesten Geschwister allerdings schon. Zeitweise lebte sie mit ihren Eltern und zwei weiteren Geschwistern im Wald versteckt. So konnte sie oft nicht zur Schule gehen. «Uns wurde die Bildung gestohlen», sagt sie einmal.
Als sie 17 war, begegnete sie auf der Reise David Burri, einem gut aussehenden und witzigen Jenischen. Seither war sie mit ihm zusammen, bis er 2010 starb.
Man lebte von alten Tätigkeiten der Fahrenden: Korben, Stuhlflechten, Schirmflicken, Textilien verkaufen, Handel mit Antiquitäten. «Jenische müssen alles können», sagt Mehr.
Als sich Anfang der 1970er Jahre die Opfer der Verfolgung zu organisieren begannen, waren die beiden dabei. Das Paar war mit seinem Wagen auch an der legendären Feckerchilbi 1985 in Gersau, wo die Idee geboren wurde, den Lido-Parkplatz in Luzern zu besetzen, um die Öffentlichkeit auf den fehlenden Lebensraum für Fahrende aufmerksam zu machen.
Eine kurze Zeit war ihr Mann gar Vizepräsident der Radgenossenschaft. Dann gingen die beiden eigene Wege und gründeten mit Freunden 1985 ein «Fahrendes Zigeunerkulturzentrum». Mit einem grossen Festzelt ziehen sie seither in den Sommermonaten durch die Deutschschweiz und veranstalten «Zigeunerkulturtage». Damit erreichen sie, dass die Behörden ihnen für einige Wochen Plätze vermieten, die auch andere fahrende Familien nutzen können. Gleichzeitig suchen sie bei Nichtjenischen Verständnis für ihre Lebensweise zu schaffen. Etwa durch Projektarbeiten mit Schulen, die viel Interesse zeigen.
Maria Mehr hält die organisatorischen Fäden in der Hand. Sie telefoniert mit Behörden. Sie unterrichtet Besucherinnen und Besuchern übers Jenischsein. Sie erledigt die Finanzen. Sie gewinnt Journalisten für Berichte. Und zudem verrichtet sie manche schwere Arbeit im Camp: Sie pflegte etwa die Araberpferde, die jahrelang dazugehörten.
Die Wintermonate verbrachte das Paar auf einem Platz in Adliswil, den die kantonale Liegenschaftsverwaltung Kantag seit 1986 zur Verfügung stellte; dort fühlten sie sich auch von der Gemeinde tolerant behandelt.
Ihren Erwerb sichert Mehr sich noch heute mit Scherenschleifen. Um den Verdienst aufzubessern, nahm sie eine Tätigkeit auf, die bereits von ihren Vorfahren ausgeübt worden sei: das Wahrsagen. Sie stattete einen kleinen Wohnwagen als «Astrowagen» aus, legte darin Tarotkarten, las aus der Hand und sprach mit Kundinnen und Kunden über die Zukunft. Die Polizei hat ihr dies zwar schon mehrmals untersagt, aber Mehr beharrt darauf, dass diese Art von Lebensberatung zur traditionellen jenischen Kultur gehöre. Und verweist im privaten Gespräch darauf, dass natürlich auch Polizisten zu ihren Kunden gehörten.
Sie ist stolz auf ihre Herkunft und scherzt gelegentlich: «Es kann nicht jeder ein Jenischer werden.»