Fahrende kämpfen vor Bundesgericht um Mitsprache

12. Avril 2021

Schweizer Fahrende kämpfen seit Jahren für mehr Mitsprache und für mehr Durchgangsplätze. Die Radgenossenschaft der Landstrasse will nun einen Entscheid der Gemeinde Thal SG, keinen provisorischen Durchgangsplatz auf dem Gebiet Fuchsloch einzurichten, vor Bundesgericht anfechten.

nau.ch

Teilerfolg für Schweizer Fahrende: Das St. Galler Verwaltungsgericht stellt im Entscheid vom 18. März zum gescheiterten Durchgangsplatz in Thal fest, dass die Radgenossenschaft als «Beschwerdeführerin im eigenen Namen befugt ist».

Das St. Galler Baudepartement hatte die Berechtigung bestritten mit dem Argument, dass «eine Genossenschaft zum Vornherein nicht die fahrende Lebensweise pflegen kann». Dies schrieb die Radgenossenschaft der Landstrasse am Montag in einer Mitteilung.

Die Beschwerde wurde trotzdem abgelehnt. Der Grund: Das Gericht könne den Gemeinderat nicht dazu anhalten, die Planung eines provisorischen und zeitlich befristeten Durchgangsplatzes weiterzuführen. Der Anspruch müsse auf dem politischen Weg umgesetzt werden, hält das Verwaltungsgericht fest.

Grundrechte von Minderheiten würden missachtet

Der Entscheid stärke die Radgenossenschaft in Bezug auf ihre Beschwerdebefugnis, hält die Dachorganisation der Schweizer Jenischen und Sinti fest. Sie will den Entscheid ans Bundesgericht weiterziehen – «mit der Perspektive der Beurteilung durch übernationale Instanzen». In der Schweiz würden Grundrechte der Minderheiten – und namentlich ihr Einbezug in Fragen, die sie betreffen – missachtet.

Ein Bundesgerichtsurteil von 2003 verpflichtet die Kantone in ihren Richtplänen die Bedürfnisse der Fahrenden als Teil der Bevölkerung zu berücksichtigen.

Der Kanton St. Gallen bezeichnete 2008 die ersten geplanten Durchgangsplätze in Thal und Gossau im Richtplan. In Thal lehnte das Stimmvolk im Mai 2014 die Umzonung ab. In Gossau war im September 2015 das Stadtparlament gegen die Umzonung.

Bis heute kein Durchgangsplatz im Kanton St. Gallen

Danach versuchte der Kanton, Standorte für provisorische Durchgangsplätze zu finden. Ein zweiter Versuch mit einem zeitlich befristeten Durchgangsplatz sollte gestartet werden. Dies, weil der Platz im Fuchsloch in Thal laut dem Kanton ideal gelegen sei.

Doch der Gemeinderat erhielt aus der Bevölkerung negative Rückmeldungen.  Deshalb entschied er im Mai 2019, den provisorischen Durchgangsplatz nur bei Einstimmigkeit im Gemeinderat weiterzuverfolgen.Die «Radgenossenschaft der Landstrasse» erhob gegen den Entscheid der Gemeinde im Juni 2019 beim Kanton Rekurs. Nachdem dieser im April 2020 abgewiesen wurde, legte die Radgenossenschaft Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein. Trotz intensiver Suche konnte bis heute im Kanton St. Gallen kein einziger Durchgangsplatz realisiert werden.