Die Wogen gehen hoch am Informationsabend zum provisorischen Durchgangsplatz für Schweizer Jenische in der Gemeinde Thal im Kanton St. Gallen. Ein Versuchsbetrieb soll Vorurteile und Bedenken in der Bevölkerung beseitigen. Und vom Kanton gibt es dafür ein Zückerli.
Zahlreiche Wortmeldungen gibt es am Montagabend im Restaurant Ochsen in Thal. Gemeindepräsident Robert Raths und Regierungsrat Marc Mächler informieren über den provisorischen Betrieb eines Durchgangsplatzes für Fahrende - geplant auf dem 2850 Quadratmeter grossen Areal Fuchsloch. Dass es sich dabei um ein schwieriges Unterfangen handelt, weiss Mächler. «Das hat die Abstimmung in Gossau gezeigt», sagt er. Auch im Sarganserland wird ein Provisorium realisiert.
Denn im Kanton St. Gallen gibt es Nachholbedarf. Das Areal in Thal bietet Platz für zehn Stellplätze, zugänglich nur im Sommerhalbjahr. Ab diesem oder kommendem Jahr soll das Areal ausschliesslich für Schweizer Fahrende als Testbetrieb zugänglich werden. Die provisorische Infrastruktur stellt der Kanton.
Weiter wird das Areal durch Zäune und ein abschliessbares Tor gesichert. Die Gemeinde ist für die Vermietung zuständig, maximal für 30 Tage wird der Aufenthalt gewährt. Bereits 2014 abgestimmt Bereits 2014 hat die Thaler Bevölkerung über einen Durchgangsplatz auf diesem Areal abgestimmt und die Vorlage knapp verworfen. «Für den Gemeinderat war das Projekt mit der Abstimmung gestorben. Dennoch haben wir jährliche Fahrende in der Gemeinde», sagt Gemeindepräsident Röbi Raths.
m vergangenen Jahr hat ein Privater sein Land an Fahrende vermietet. Das habe nicht so gut funktioniert, weil die entsprechenden Anlagen nicht vorhanden waren. Mit einem offiziellen Platz könnte man dem entgegenwirken und würde auch Geld einnehmen. Nach Gesprächen mit dem Kanton sei der Rat zum Schluss gekommen, dass ein provisorischer Betrieb eine Diskussion wert sei. Als Gegenleistung verspricht der Kanton der Gemeinde, die bauliche Umgestaltung der Hauptstrasse zu übernehmen.
Konkret ist ein Einlenker mit Verbreiterung der Strasse auf Grundstück der Ortsgemeinde geplant. Gemäss Raths sei Raserei dort ein Problem und betroffene Gewerbetreibende hätten bereits mehrfach Bedenken geäussert. «Das sind keine Verbrecher» Dass das Areal nun trotzdem an Schweizer Fahrende vermietet werden soll, stösst vielen Anwesenden sauer auf: «Ich bin enttäuscht vom Gemeinderat. Die Bürger haben sich gegen die Fahrenden entschieden», sagt ein Votant. Regierungsrat Mächler zeigt Verständnis, betont aber, diese Variante sei nicht dieselbe.
«Wenn es nicht klappt, ist das Thema erledigt», verspricht Mächler. Mehrere Bürger sprechen Ängste in Bezug auf Fahrende an. Die Anwesenden müssen sich einige diskriminierende Äusserungen und Vorurteile anhören. Eine Frau sagt, sie habe kein gutes Gefühl mehr, wenn sie im nahe gelegenen Naturschutzgebiet spazieren gehe. «Das sind Schweizer Fahrende, Familien mit Kindern und keine Verbrecher», kontert Raths.
Thal sei eine offene und vorbildliche Gemeinde, das gelte es, auch gegen aussen zu zeigen. «Das Gemeindewohl steht über allem. Sollte es nicht klappen, wird das Provisorium aufgehoben», sagt Raths. Dafür erntet er Applaus. «Wir arbeiten, zahlen Steuern und gehen ins Militär», verteidigt sich ein Jenischer aus Goldach.
«Warum probiert ihr es nicht einfach?», sagt er. Bewährt sich der provisorische Betrieb, könnte der Durchgangsplatz dauerhaft betrieben werden. Dazu wäre eine Umzonung nötig. Das Areal Fuchsloch bietet ideale Voraussetzungen für einen Durchgangsplatz.
1.5.2019, Jolanda Riedener, St. Galler Nachrichten
Kommentar von Jolanda Riedener: Es gibt nichts zu verlieren
An der Bürgerinformation in Thal gab es viele Fragen zum Durchgangsplatz. Dass es die Bürger interessiert, was in ihrer Gemeinde passiert, ist gut für die Demokratie. Dennoch sollten Ängste und Vorurteile nicht die Oberhand gewinnen. Mit einem Provisorium bietet sich den Thalern die Möglichkeit, die Situation zu prüfen oder mit den Fahrenden in Kontakt zu treten.
Das bietet immer auch die Möglichkeit zu erkennen, dass Befürchtungen unbegründet sind. Dass die Bürger 2014 Nein gesagt haben zum Durchgangsplatz Fuchsloch ist Tatsache und wird so akzeptiert. Der geplante Testbetrieb ist aber ein Versuch und kann ohne Aufwand wieder abgebrochen werden. Gleichzeitig lässt sich der Kanton auf einen Deal mit der Gemeinde ein und baut die Hauptstrasse um - auch wenn der provisorische Betrieb des Durchgangsplatzes abgebrochen werden sollte. Die Gemeinde kann also nur gewinnen.
Die Fahrenden verdienen darum eine Chance. Sie sind auf Durchgangsplätze angewiesen, um ihren Lebensstil pflegen zu können.
1.5.2019, Jolanda Riedener, St. Galler Nachrichten