Fahrende statt Geflüchtete im Bieler Bözingenfeld

14. Febbraio 2023

Die Stadt Biel ist nach langem Hin und Her bereit, einen provisorischen Transitplatz für ausländische Fahrende zu bauen.

Berner Zeitung BZ, Lino Schaeren (BT)

Noch ist es tiefer Winter und doch sind  die Fahrenden aus Frankreich schon wieder da. Sie haben in der Stadt Biel ein Gelände im Bözingenfeld illegal besetzt. Es handelt sich dabei um dieselbe Gruppe, die im letzten Oktober für Aufregung sorgte, als sie über viele Wochen den Aussenparkplatz nördlich der Tissot-Arena belegte, den der EHC Biel bei seinen Heimspielen für seine VIP-Kundschaft nutzt.

«Sie kommen tendenziell immer früher und bleiben immer länger», sagt Biels Sicherheitsdirektor Beat Feurer (SVP). Mehrere Gruppen Fahrender aus Frankreich machen jedes Jahr länger im Raum Biel halt. Weil es keine offiziellen Halteplätze gibt, besetzen sie illegal Grundstücke. Es sind Familienclans, die oft in grösseren Verbänden unterwegs sind. So hielten sich die Fahrenden etwa im April 2021 mit mehr als 100 Gespannen gleichzeitig auf Bieler Boden auf.Hier finden sie Arbeit, erledigen Aufgaben im Garten oder übernehmen Reinigungsjobs. Viele von ihnen haben sich inzwischen im Raum Biel eine Stammkundschaft aufgebaut. Sie verkaufen nicht nur einzelne Arbeiten, sondern teilweise auch eine Art Abonnement. Mit dem Versprechen: In einem Jahr sind wir wieder da.Das weiss man auch auf der Direktion von Beat Feurer und ist sich daher bewusst, dass auch der Bau des Transitplatzes für ausländische Fahrende in Wileroltigen das Problem mit den Landbesetzungen nicht wird lösen können. «Wir werden auch mit dem Platz in Wileroltigen Fahrende in Biel haben, die nach einer Haltemöglichkeit suchen und auch finden werden, wenn nötig illegal», sagt André Glauser, Leiter der städtischen Abteilung Sicherheit.

Solidarität mit Geld zeigen

Biel sucht deshalb seit mehreren Jahren händeringend mit den umliegenden Gemeinden nach einer Lösung. Alle sind sich einig, dass es im Raum Biel einen Transitplatz für ausländische Fahrende braucht, bloss auf eigenem Grund und Boden will sie keine Gemeinde haben.

Mit einem Transitplatz auf dem eigenen Terrain können sich Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten eigentlich nur die Finger verbrennen. Feurer sagt: «Ein Halteplatz für ausländische Fahrende hat einen politischen Preis.» Einen, den Biel jetzt offenbar bereit sein könnte zu zahlen. Recherchen zeigen, dass Feurers Direktion allen Gemeinden in den Verwaltungskreisen Biel und Seeland einen Vorschlag unterbreitet hat. Dieser sieht vor, dass Biel während drei bis vier Jahren einen Platz für ausländische Fahrende betreibt.

Im Gegenzug müssten die umliegenden Gemeinden  jährlich eine finanzielle Abgeltung an Biel entrichten, da sie gleichermassen profitieren würden. Denn steht in Biel ein offizieller Platz bereit, wird es auch in den umliegenden Gemeinden kaum mehr zu illegalen Landbesetzungen kommen. Das hat ein einmonatiger Versuchsbetrieb im Frühjahr 2022 gezeigt.

Feurer bestätigt das Angebot der Stadt Biel grundsätzlich. Dass neu nicht nur die Gemeinden im Verwaltungskreis Biel, sondern auch jene aus dem Seeland einbezogen werden, sei auf Vorschlag des Vereins Seeland-Biel/Bienne erfolgt, sagt er. Der Verein vernetzt die Gemeinden der Region, im Vorstand sind 14 Gemeindepräsidien aus allen Teilen des Seelands vertreten. «Der Lösungsansatz der Stadt Biel ist ein guter Weg», sagt Madeleine Deckert (FDP), Präsidentin von Seeland-Biel/Bienne und Gemeindepräsidentin von Leubringen/Magglingen. Sie erachtet eine Lösung auch deshalb für dringend nötig, weil nur so durch die öffentliche Hand Spielregeln durchgesetzt werden könnten; etwa, dass auf dem Stellplatz, wo die Fahrenden häufig mit Chemikalien hantieren, Massnahmen zum Umweltschutz umgesetzt werden.

Mit Transitplatz verdienen

Machen genügend Gemeinden mit, will Biel noch für diesen Sommer einen Platz bereitstellen. Für 2024 würde dann aber wohl gezügelt. Denn im Bözingenfeld steht nach dem Abtransport der Container, in denen bis zuletzt Flüchtlinge wohnten, bald ein deutlich besser befestigtes und erschlossenes Stück Land zur Verfügung. Feurer bestätigt, dass der Kanton Bern, dem das Grundstück gehört, dieses für einen provisorischen Transitplatz angeboten hat.

Beteiligen sich die umliegenden Gemeinden finanziell, könnte Biel mit dem Transitplatz sogar Geld verdienen. Feurer stellt nicht in Abrede, dass das komplette Paket unter dem Strich für Biel finanziell lohnend sein könnte. Er sagt aber auch, dass ein solcher Transitplatz Aufgaben wie den ständigen Austausch mit der Nachbarschaft mit sich bringen würde. «Und wir müssten der Bevölkerung die Vor- und Nachteile erklären. Ein solches Projekt ist ein Unterfangen, das politisch schwer bewältigbar ist.»

Biel hat Strafanzeige erstattet

Doch noch ist es nicht so weit. Und so lange schlägt sich Biel weiterhin mit illegalen Landbesetzungen herum. Der Grund und Boden, auf dem sich im Bözingenfeld derzeit der Familienclan aus Frankreich breitgemacht hat, ist im Besitz der Stadt. Ein Ultimatum der Stadt zur Abreise ist bereits verstrichen. Biel hat deshalb Strafanzeige erstattet und strebt eine polizeiliche Räumung an. Die Fahrenden ihrerseits kennen das Vorgehen und die Schweizer Gesetzgebung ihrerseits bestens. Gibt ein Gericht grünes Licht für eine Räumung, verschwinden sie im Normalfall freiwillig, bevor diese durchgeführt werden kann.