Das Bundesgericht hat diverse Artikel aus dem bernischen Polizeigesetz versenkt. Gemäss der SVP haben die Richter damit einen Dominoeffekt ausgelöst.
Das Polizeigesetz des Kantons Bern sorgte vor dem Bundesgericht für Redebedarf. Geschlagene drei Stunden diskutierten die fünf Richter über drei Bestimmungen, gegen die Beschwerde eingereicht worden war. Über eine davon wurde besonders viel gesprochen: die «Lex Fahrende», also die Regelung, dass Plätze von Fahrenden innerhalb von 24 Stunden polizeilich geräumt werden können, wenn das Land illegal besetzt wurde.
Bundesrichter Lorenz Kneubühler (SP) bezeichnete die Norm als «Hauruck-Verfahren» und «schärfste Wegweisungsregelung der Schweiz». Eine Zwangsräumung dürfe erst nach einer umfassenden Prüfung erfolgen. «24 Stunden reichen da nicht aus.» Mit Verweis auf den Minderheitenschutz beantragte Kneubühler, die entsprechenden Artikel aufzuheben. Die Mehrheit des Bundesgerichtsgremiums folgte seinem Antrag. Die «Lex Fahrende» wurde mit 3 zu 2 Stimmen beerdigt.
Abstimmung wiederholen?
Die «Lex Fahrende» hat es in das Polizeigesetz geschafft, weil ihr die SVP im Kantonsparlament den Weg geebnet hat. Entsprechend ernüchtert reagierte Fraktionspräsidentin Madeleine Amstutz auf den Bundesgerichtsentscheid. Aufgrund des Urteils verlangt sie nun die Wiederholung der Abstimmung zum Transitplatz für ausländische Fahrende in Wileroltigen. «Dieses Gesetz war ein zentraler Punkt in der Abstimmung. Die Voraussetzungen waren vor der Abstimmung völlig anders.»Denn Fahrende hätten nur weggewiesen werden können, wenn ein Transitplatz zur Verfügung gestanden hätte. Zum Platz in Wileroltigen hat die bernische Stimmbevölkerung im Februar äusserst knapp Ja gesagt. «Aber nur, weil davon ausgegangen wurde, dass die ‹Lex Fahrende› auch in Kraft tritt», so Amstutz. Sie will nun zusammen mit der Jungen SVP abklären, inwiefern eine Wiederholung der Abstimmung überhaupt möglich ist.
Frage der Kausalität
Die Gesellschaft für bedrohte Völker gehört zu den Beschwerdeführern gegen das Polizeigesetz. Dass die gestrichene «Lex Fahrende» Auswirkungen auf die Wileroltigen-Abstimmung haben soll, hält man dort für rechtlich unhaltbar, denn es lasse sich juristisch keine Kausalität herstellen, so Kampagnenleiterin Angela Mattli. Zudem sei schon vor der Abstimmung bekannt gewesen, dass eine Beschwerde mit intakten Erfolgsaussichten gegen die «Lex Fahrende» hängig gewesen sei, sagt Mattli. Tatsächlich wurde das Streichen der entsprechenden Gesetzesbestimmung durch das Bundesgericht in mehreren Gutachten schon lange vorausgesagt. Auch der Regierungsrat hatte sich stets gegen deren Integration in das Polizeigesetz gestellt. Deswegen sieht Mattli in diesem erneuten Aufbäumen der SVP bloss «reine Stimmungsmache».