Das Ja des Stimmvolks zum Transitplatz in Wileroltigen bringt vorerst keine Entspannung. Bis 2023 braucht es ein zusätzliches Provisorium.
53,5 Prozent der Berner Stimmberechtigten befürworten den Transitplatz für ausländische Fahrende in Wileroltigen – damit haben sie sich für eine langfristige Lösung ausgesprochen. Jetzt drängen sich jedoch kurzfristige Probleme auf. Denn bis die Haltestelle in Wileroltigen 2023 eröffnet werden soll, will der Kanton mit provisorischen Plätzen überbrücken. Doch die aktuelle Situation zeigt: Es droht akuter Platzmangel. Das Provisorium in Brügg endete letztes Jahr, der letzte temporäre Platz in Gampelen schliesst im Herbst. Für die kommenden zwei Jahre gibt es noch keine Lösung.
Das bedeutet, dass es schon in der im Frühling beginnenden Reisesaison zu Engpässen kommen kann. Eine Situation, die der zuständigen Regierungsrätin Evi Allemann (SP) Sorgen bereitet. Ihre Idealvorstellung liegt bei zwei Plätzen pro Saison. Sie bezweifelt, dass das in diesem Jahr noch erfüllt werden kann. «Die Zeit wird zu knapp.» Obwohl der Kanton mit Hochdruck daran gearbeitet habe, konnte bis jetzt keine Gemeinde gefunden werden, die sich zur Verfügung stellt.
Die Regierungsrätin befürchtet, dass es ohne provisorischen Transitplatz wieder vermehrt zu illegalen Landnahmen kommt. Allemann hofft, dass das Ja zum Platz in Wileroltigen die Suche nach willigen Gemeinden vereinfacht. «Ich zähle jetzt auf Solidarität.» Dennoch werde es eine zähe Aufgabe sein, für die nächsten zwei Jahre nahtlos Ersatz zu finden. Sie spricht aus Erfahrung. «Die Bemühungen, Gampelen von einem Platz zu überzeugen, waren enorm.»
«Der Widerstand bleibt»
«Es wird bestimmt Kräfte geben, die das Abstimmungsresultat nicht akzeptieren wollen», EviAllemann Regierungsrätin (SP)
Dieses Problem könnte sich noch verschärfen. Gehen gegen den konkreten Bau des Transitplatzes in Wileroltigen Einsprachen ein, die sich bis vor das Bundesgericht ziehen, muss die Platzeröffnung nach hinten verschoben werden. Denn im Zeitplan des Kantons ist das juristische Worst-Case-Szenario nicht eingerechnet. Ein solches scheint nicht ganz unwahrscheinlich. Zumindest die Kampfbereitschaft der Jungen SVP scheint noch nicht erloschen zu sein, sie will eine Stimmrechtsbeschwerde prüfen. Allemann dazu: «Es wird bestimmt Kräfte geben, die das Abstimmungsresultat nicht akzeptieren wollen.» Auch glaube sie nicht, dass Wileroltigens Bevölkerung einen baldigen Frieden mit dem Projekt schliessen wird. «Der Widerstand bleibt. Da mache ich mir nichts vor.»
Sie glaubt jedoch nicht, dass Einsprachen gegen den Bau das Vorhaben bis vor Bundesgericht bringen. Dazu sollen verschiedene Massnahmen sorgen, etwa eine Begleitgruppe, die dazu da ist, in der Planungsphase mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen.
Ein Zaun als Kritikpunkt
Der Transitplatz könnte jedoch auch von ganz anderer Seite in die Kritik geraten. Es besteht die Gefahr, dass ihn in seiner angedachten Form die Fahrenden selber nicht annehmen. Anstoss erregt ein Sichtschutz, der das Gelände umringen soll. Er gehört zu den Forderungen, welche die Gemeinde Wileroltigen dem Kanton stellte. Dieser versprach, dem Begehren nachzukommen. «Das ist den Menschen gegenüber diskriminierend», sagte Doris Bösch vom Verein Schäft qwant kurz vor der Abstimmung.
Simon Röthlisberger von der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende hingegen rechnet mit keinen Einwänden. Er zieht einen Vergleich zu einem ähnlichen Platz in Freiburg. «Dieser ist immer sehr gut ausgelastet.» Es sei aber wichtig, die künftigen Benutzer in die Planung einzubeziehen. Aus nationaler Sicht leiste der Kanton Bern nun einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Platzfrage für ausländische Fahrende, sagt Röthlisberger. Für Fahrende aus der Schweiz aber sei das Problem noch längst nicht behoben: «Für sie braucht es dringend mehr Plätze.» Der Kanton plant solche zurzeit in Erlach, Herzogenbuchsee und Muri. Bund soll mehr zahlen
Auf Bundesebene wird der Umgang mit Fahrenden in der Schweiz in einem «Aktionsplan» beschrieben. Dieses Strategiepapier fordert auch die Schaffung von Transitplätzen für ausländische Fahrende. Allemann wünscht sich dabei mehr Support vom Bund. «Er muss besser koordinieren und höhere finanzielle Beiträge leisten.» Kürzlich geführte Gespräche stimmen sie aber zuversichtlich.
Hat der Bund die Kantone in der Fahrenden-Frage im Stich gelassen? Nein, findet die Mediensprecherin des federführenden Bundesamts für Kultur: «Die Schaffung von Halteplätzen liegt bei den Kantonen.» Der Bund verfüge nicht über eine gesetzliche Grundlage, um Plätze zu planen, er könne nur finanzielle Anreize schaffen und Land zur Verfügung stellen. Letzteres ist in Wileroltigen geschehen. Die Parzelle, auf welcher der Platz gebaut werden soll, gehört dem Bundesamt für Strassen. Das ändert sich nur dann, wenn ein Sachplan vorliegt. Das trifft aber nur bei direkten Bundesaufgaben ein, wie zum Beispiel für den Bau von Asylzentren oder Nationalstrassen. Mit dem Ja zu Wileroltigen sieht der Bund den Bedarf an Transitplätzen nicht gedeckt. «Es braucht noch mehr Kantone, die sich beteiligen.»