Die Absage zum Durchgangsplatz für Fahrende kam überraschend, sogar für Ratsmitglieder. Für die Gemeinde Thal bleibt alles beim Alten. Das wollen Fahrende-Organisationen nicht auf sich sitzen lassen.
(red) Die Gemeinde Thal will keinen Durchgangsplatz für Fahrende. Das hat der Gemeinderat kürzlich überraschend entschieden. Die Thaler sind kein Einzelfall. Immer wieder scheitert der Kanton St. Gallen beim Einrichten von Durchgangsplätzen auf Gemeindeebene. Doch was bedeuten die endlosen Absagen für die Fahrenden?
Wanderleben als Teil der Identität
«Jenische und Sinti wollen sich nicht niederlassen. Das Wanderleben ist Teil ihrer kulturellen Identität», sagt Daniel Huber, Präsident der Radgenossenschaft der Landstrasse. Der Dachverband setzt sich für die Interessen der anerkannten nationalen Minderheiten ein. «Doch ohne die Durchgangsplätze ist eine solche Lebensweise nicht möglich», ergänzt er. Er lässt auch durchblicken, dass die Radgenossenschaft beschlossen hat, mit einer Klage gegen den Entscheid des Gemeinderates vorzugehen.
Die Schweizer Kantone sind zur Erhaltung der Kultur und Lebensweise von nationalen Minderheiten verpflichtet. So hat der Kanton St.Gallen entsprechende Richtlinien ausgearbeitet. Sechs Regionen sind es, die einen nachgewiesenen Bedarf für Durchgangsplätze aufweisen. Zu diesen gehört auch die Region St.Margrethen. Mit der Einrichtung eines Platzes im Fuchsloch hätte sie zu einem Grossteil abgedeckt werden können.
«Ich kann mir Absagen, wie die in Thal, nur durch Vorurteile erklären. Wir leisten so viel Öffentlichkeitsarbeit, um solche Stereotypen abzubauen, und doch werden unsere Anliegen immer wieder abgewiesen.»
Daniel Huber, sesshafter Jenischer
Simon Röthlisberger von der Stiftung Zukunft für Fahrende Schweiz sieht aber noch einen weiteren ausschlaggebenden Grund für Absagen von Gemeinden: «Die Baulandknappheit erschwert die Suche nach geeignetem Land enorm. So konkurrieren Projekte zur Errichtung eines Durchgangsplatzes oft mit Industrie- oder Wohnbauvorhaben.»
Jede Absage kostet Steuergelder
Simon Röthlisberger sieht im System ganz klar einen Widerspruch: «Der Kanton St.Gallen hat einen verbindlichen Auftrag, Durchgangsplätze zu errichten. Findet er geeignetes Land, könnte er diesen erfüllen. Doch jegliche Bauvorhaben können auf der Gemeindeebene demokratisch ausgehebelt werden. Das geht einfach nicht auf.» Wird ein Bauvorhaben abgelehnt, muss der Kanton erneut suchen. Das kostet Steuergelder und verzögert das Umsetzen der kantonalen Richtlinien.
Simon Röthlisberger betont: «Ein Nein von Thal bedeutet das Herumreichen einer heissen Kartoffel an die nächste Gemeinde. Man könnte auch solidarisch denken und es einfach versuchen.» Denn genau das sah er im Fall Thal, einen möglichen Versuch. «Der Kanton hat eng mit der Gemeinde zusammengearbeitet und ihr aufgezeigt, dass jederzeit ein Abbruch möglich gewesen wäre.»
Bürger mit gleichen Rechten und Pflichten
Laut Huber ist es genau das, was den Fahrenden fehlt: eine Gelegenheit zu zeigen, dass das Zusammenleben gut funktionieren kann. «Es sind Schweizer Bürger, die genau gleich Steuern zahlen und Militärdienst leisten wie alle anderen. Sie zahlen Miete für ihren Standort und werden rechtlich gleichermassen verfolgt. Wir versuchen alles, um zu zeigen, wer wir sind, aber man lässt uns keine Chance.»